Freitag, 2. Januar 2015

FAMILIE

Ich sitze hier, vor der Überschrift und dem leeren Textfeld. Einem Textfeld, das schon gefühlt hundert Mal vollgeschrieben war und dessen Inhalt ich dann doch wieder gelöscht habe. Weil mir mein Text einfach nicht richtig vorkam. Über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel habe ich aber so viel über das Thema nachgedacht, dass ich jetzt einfach aus dem Bauch heraus losschreibe.

Familie ist ein schwieriges Thema bei mir - wir hatten jahrelang keinen Kontakt zu meinen Großeltern, auch meine Tanten und Onkels stehen uns nicht sonderlich nahe. Irgendwie ist jeder viel zu sehr damit beschäftigt, sich selbst in den Vordergrund zu stellen, anstatt da Familienbande zu pflegen. Schade, aber nicht zu ändern. Ich selbst hatte auch jahrelang ein schwieriges Verhältnis zu meinen Eltern. Wir haben uns immer gesehen und auch über vieles gesprochen, aber unterschwellig war da immer ein Konflikt, der nie richtig gelöst wurde.

Umso aufgeregter war ich, als ich plötzlich eine eigene Familie gründen sollte. An dem Tag im März 2009, als ich meinen Keks beim Arzt zum ersten Mal im Ultraschall sehen konnte. Noch schlug kein Herz und er war eigentlich nur ein Kügelchen - Dottersack, wie die Ärztin ihn "liebevoll" nannte - und doch schlug mein Herz von der ersten Sekunde an für ihn. Was da alles dranhängt, an so einem Kind. Familienplanung, vielleicht sogar eine räumliche Veränderung, ganz viele Entscheidungen und noch viel mehr Verantwortung. Langer Rede, kurzer Sinn: das Kind war da, ich liebte es und ich ging davon aus, eine Familie zu gründen. Pustekuchen, denkste. Kaum eineinhalb Jahre nach der Geburt des Kekses wurde das Familienleben so unerträglich, dass ein Schlussstrich gezogen werden musste. Mama und Papa waren immer noch Mama und Papa, aber eben nicht mehr MamaundPapa. Da kommt der Moment, wo man auf dem Boden sitzt und sich wahnsinnig viele Vorwürfe macht, warum man es nicht geschafft hat, diese Familie eine Familie bleiben zu lassen. Ich mein, es ist doch so einfach:
ein Mann + eine Frau + ein gemeinsames Kind = eine Familie.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich einsah, dass man nicht immer bekommt, was man sich erträumt hatte und dass eine Familie nicht einfach nur dadurch entsteht, dass zwei Menschen (mindestens) ein Kind miteinander bekommen. Da gehört wahnsinnig viel Arbeit und Zeit und Liebe dazu. Wenn etwas davon fehlt, dann kann einfach keine Familie entstehen. Wie aber soll ich dann meinem Kind den Halt geben und all das, was ein Kind eben braucht? Braucht es nicht eine echte, richtige Familie, damit es ein glücklicher Mensch werden kann?

Auch hier dauerte es wieder sehr lange, bis ich eine Antwort gefunden habe. Dreieinhalb Jahre später bin ich endlich an einem Punkt angekommen, wo ich merke, dass es auch ganz andere Formen von Familie geben kann. Es muss nicht immer der richtige, der echte Papa dazugehören. Ja, der ist auch noch Teil unseres Lebens und der Keks sieht ihn regelmäßig. Es gibt jetzt aber auch noch den neuen Mann in unserem Leben - und ich sage ganz bewusst "in UNSEREM Leben" - und mit ihm ist jemand da, der mir zeigt, dass Familie viel mehr bedeutet. Verantwortung übernehmen, da sein, wenn es mal nicht so leicht ist, zusammen lachen, zusammen den Alltag gestalten, Pläne für die Zukunft machen...

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Nach außen sehen wir aus wie das, was sich die Allgemeinheit unter einer "richtigen" Familie vorstellt. Viele sagen sogar, der Keks sieht seinem Papa so ähnlich und meinen damit eigentlich den Neuen. Anfangs haben wir das immer noch richtig gestellt. "Nee, der sieht schon aus, wie sein Papa. Aber das hier ist nur der neue Freund der Mama, vom Papa bin ich getrennt." In der Zwischenzeit denke ich: wenn alle denken, dass zu einer Familie eine Mama, ein Papa und ein Kind gehört, dann ja, dann sollen sie doch Papa zu ihm sagen ohne dass ich glaube, es richtigstellen zu müssen. Denn zum ersten Mal in fast sechs Jahren mit meinem Keks haben wir beide, er und ich, eine Familie.